Welt-Parkinson-Tag: Versorgung von Betroffenen optimieren

Anlässlich des Welt-Parkinson-Tags am 11. April weist die Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz auf ein neues Forschungsprojekt hin, das durch den Innovationsfonds des G-BA gefördert wird: INSPIRE-PNRM+ (INterdiSziPlinäre und InteRsektorale telemedizinische Evaluation, Koordination und Behandlung im ParkinsonNetz RheinMain+) zielt darauf ab, eine optimierte, effektive und bedarfsgerechte Behandlung von Menschen mit Parkinson zu etablieren. Die neuartige Versorgungsform umfasst insbesondere drei Komponenten: speziell ausgebildete Pflegefachpersonen, ein interdisziplinäres und transsektorales Netzwerk sowie eine telemedizinische Plattform.

Quelle: IDW Informationsdienst Wissenschaft

Neue Medikamentenpumpe mindert Parkinson-Symptome

Parkinson-Spezialambulanz versorgt am Uniklinikum jährlich mehr als 2.000 Patientinnen und Patienten. // Die Klinik für Neurologie ist deutschlandweit eine von zwei zertifizierten Parkinson-Spezialkliniken an einem Universitätsklinikum. // Neuartige Therapien verbessern Lebensqualität von Parkinson-Patientinnen und -Patienten.

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Glotze an?! – Warum Fernsehen besser ist als sein Ruf

Macht Fernsehen dumm? Das untersuchte Dr. Matthias Nürnberger aus der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Jena in einer prospektiven Studie. Im Ergebnis zeigte sich, dass exzessiver Fernsehkonsum sogar einen positiven Effekt sowohl auf die visuelle Informationsverarbeitung als auch die motorische Lernfähigkeit haben kann, und das teilweise deutlich. Fernsehen ist also besser als sein Ruf. Die Studie wurde im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht.

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Presseeinladung zum DGN-Kongress 2023: Neurodegenerative Erkrankungen im Fokus

Vom 8. bis zum 11. November 2023 findet der 96. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie im CityCube Berlin (und digital) statt. Auf der Pressekonferenz am 8. November, 12:45−13.45 Uhr, werden die beiden häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen, M. Alzheimer und M. Parkinson, beleuchtet. Zu diesen beiden Erkrankungen gibt es viel Neues zu berichten. Auf der Pressekonferenz werden u. a. die neue S3-Leitlinie Demenzen, die gemeinsam von der DGN und der DGPPN erstellt wurde, und die neue S2k-Leitlinie zu Parkinson vorgestellt. Beide Leitlinien werden unmittelbar nach der Veranstaltung publiziert.

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Jetzt ist Impfsaison! Routineimpfungen senken womöglich auch das Alzheimer-Risiko

Morgen ist Welt-Alzheimer-Tag. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie nutzt diesen Anlass für einen Impfaufruf. Warum? Es ist bekannt, dass verschiedene bakterielle und virale Infektionen das Demenzrisiko erhöhen können. Eine Studie legt nun nahe, dass die Routineimpfungen gegen Tetanus-Diphtherie-Pertussis, Herpes zoster und Pneumokokken das Alzheimer Risiko senken könnten. Für die Grippeimpfung gibt es ähnliche Daten.

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Neue Alzheimer-Therapien stellen Gesundheitsbudget und Versorgungsstrukturen vor enorme Herausforderungen

Neurodegenerative Erkrankungen wie M. Alzheimer und M. Parkinson nehmen zu, z.T. sogar mehr, als durch die Überalterung der Gesellschaft erklärt werden kann. In jüngster Zeit wurden im Bereich der Alzheimerbehandlung verschiedene Durchbrüche vermeldet. Doch die Therapiekosten sind hoch, ebenso die Anzahl derjenigen, die für diese Behandlungen in Frage kommen. Und selbst wenn genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, bleiben enorme versorgungsstrukturelle Herausforderungen, die zeitnah gelöst werden müssen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie mahnt gemeinsam mit den Berufsverbänden an, dass nun die Gesundheitspolitik handeln muss.

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Neuer Therapieerfolg bei Alzheimer – dennoch bleibt die Prävention wichtig

Eine gestern in JAMA publizierte Studie zeigt: Donanemab kann die Progression der Alzheimer-Erkrankung um 35 Prozent verlangsamen. Besonders gut scheint die Therapie in den sehr frühen Krankheitsstadien zu wirken, was die Frage nach einfach handhabbaren Alzheimer-Frühtests aufwirft. Doch auch die neue Therapie ist nicht nebenwirkungsfrei und darüber hinaus müsse eine gesamtgesellschaftliche Debatte über die Kosten geführt werden. Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) bleibt die Prävention eine wichtige Säule im Kampf gegen Alzheimer: 40 Prozent der Erkrankungsfälle könnten dadurch verhindert werden.

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Der Neuronaut – ein Adventurespiel rund um die Multiple Sklerose

Das Multiple-Sklerose-Zentrum der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden unter der Leitung von Prof. Tjalf Ziemssen hat im Mai das erste Level des Lernspiels „Neuronaut Adventure“ veröffentlicht. Dafür arbeiten die Medizinerinnen und Mediziner mit einem interdisziplinären Team um den Spieledesigner und Mediziner Oscar Freyer und den Cartoonisten Phil Hubbe zusammen. Das Spiel richtet sich an MS-Betroffene und -Interessierte.

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DGN warnt vor Botoxspritzen in die Magenwand zur Appetitzügelung und initiiert eine wissenschaftliche Aufarbeitung

Nach einer Behandlung mit „Magen-Botox“ sind mehrere Menschen schwer an Botulismus, einer lebensbedrohlichen Botox-Vergiftung, erkrankt und werden in Deutschland neurointensivmedizinisch behandelt. Die DGN möchte Betroffene sowie Ärztinnen und Ärzte für die Symptome sensibilisieren, damit möglichst schnell eine Therapie eingeleitet werden kann. Fälle wie diese könnten zunehmen – Prof. Dr. Tim Hagenacker, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen, Mitglied der Kommission Motoneuron- und Neuromuskuläre Erkrankungen der DGN, hat nun eine Fallserie zur wissenschaftlichen Auswertung dieses Botulismus-Ausbruchs initiiert und bittet Kolleginnen und Kollegen, ihre Fälle zu melden.

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Am 11. Januar geht es los: Altersmediziner starten regelmäßige Webinare für Geriatrie-Nachwuchs und -Interessierte

Praxisnah, interaktiv und kostenlos: Am kommenden Mittwoch, 11. Januar, startet die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) um genau 13.15 Uhr mit einer Reihe an State-of-the-art-Lectures mit namhaften Expertinnen und Experten aus der Geriatrie. Die Webinar-Serie soll dann an jedem zweiten Mittwoch des Monats zur gleichen Uhrzeit stattfinden. Angesprochen werden Ärztinnen und Ärzte, die in der Geriatrie arbeiten, sich jedoch in Weiterbildung für Innere Medizin, Allgemeinmedizin oder Neurologie befinden, Fachärztinnen und -ärzte in der Weiterbildung Geriatrie, an Geriatrie interessierte Ärztinnen und Ärzte, die aber derzeit in anderen Fachrichtungen tätig sind, wie auch Medizinstudierende.

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1.000. Schlaganfall-Patient in das vom Uniklinikum Dresden konzipierte Nachsorgeprogramm „SOS-Care“ aufgenommen

Mitte Dezember wurde mit Burkhard Oppitz der 1.000. Schlaganfallpatient bereits während der stationären Akutversorgung in der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden ins Nachsorgeprogramm „SOS-Care“ aufgenommen. Das am Uniklinikum mit Unterstützung der AOK PLUS entwickelte und erprobte Programm sichert über eine regelmäßige strukturierte, ambulante Nachsorge eine optimale Versorgung der Betroffenen. Dies belegen Erhebungen der vergangenen Jahre, in denen die Gesundheitsdaten von rund 500 Patientinnen und Patienten analysiert wurden, die das „SOS-Care“-Nachsorgeprogramm durchliefen.

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Pflegemangel in der Neurologie: Welche Antworten gibt es?

Prof. Dr. Waltraud Pfeilschifter, Chefärztin für Neurologie am Klinikum Lüneburg, Sprecherin der DGN-Kommission „Interprofessionelle Zusammenarbeit in der Neurologie“, sieht die Spezialisierung der Pflege in der Neurologie als Chance, um das Fach für die Pflege besonders attraktiv zu machen. Die DGN hat aktuell fünf neurologische Pflege-Curricula gemeinsam mit den jeweiligen Partner-Fachgesellschaften erstellt: für Schlaganfall (gemeinsam mit der DSG), Parkinson (gemeinsam mit der DPG), Epilepsie (gemeinsam mit der DGfE), Multiple Sklerose (gemeinsam mit der DMSG) und Demenz.

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„Ich messe meine Multiple Sklerose selbst!“ – Digitales Selbstmonitoring der Multiplen Sklerose mit Konectom

Das Multiple Sklerose Zentrum (MSZ) an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden baut seine Digital-Health-Expertise bei Therapie und Erforschung der Multiplen Sklerose (MS) mit einem weiteren wissenschaftlichen Projekt aus. Aufbauend auf zahlreichen, vor allem in der Diagnostik erfolgreich integrierten digitalen Instrumenten startet das ärztliche Team jetzt damit, mit einer eigenen Smartphone App für MS-Patientinnen und Patienten den Weg zum „MS-Management 2.0“ zu ebnen, mit der die Anwendenden mit MS sich selbst überwachen können.

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Demenz im Blut aufspüren

Empa-Forscher Peter Nirmalraj will Proteine in nie gekannter Präzision ablichten – und damit Einblicke in das molekulare Krankheitsgeschehen von Alzheimer gewinnen. Dies soll den Weg zu einer früheren und vereinfachten Diagnose der Demenzerkrankung über einen Bluttest ermöglichen. Gemeinsam mit der Klinik für Neurologie des Kantonsspital St.Gallen konnte nun eine erfolgreiche Pilotstudie abgeschlossen werden.

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#ALSbewegtuns – aktiv sein und Spenden für Betroffene sowie für ihre Angehörigen sammeln

Unter dem Hashtag #ALSbewegtuns rufen die Spezialambulanz für Motoneuronerkrankungen der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden sowie Betroffene und deren Angehörige zu einer Benefiz-Aktion auf. Die Initiierenden der Aktion bitten darum, im Zeitraum vom 17. September bis 17. Oktober 2021 körperlich aktiv zu werden, die dabei zurückgelegten Strecken zu regis­trieren und für jeden Kilometer einen selbst festgelegten Betrag zu spenden. Die Art der Bewegung ist den Teilnehmenden selbst überlassen: laufend zu Fuß, schwimmend, skatend oder fahrend, egal ob im Rollstuhl, auf dem Fahrrad oder im Boot.

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Keynote-Lecture Rainer Dziewas beim DGG-Kongress: Schluckstörungen im Alter verstehen

Im Alter steigt das Risiko, eine Schluckstörung zu entwickeln, drastisch an: Bei mehr als 50 Prozent der Pflegeheimbewohner und rund 70 Prozent aller im Krankenhaus behandelten geriatrischen Patienten treten altersabhängig bedingte Veränderungen des Schluckaktes (Presbyphagie) auf – mit möglichen Folgen wie Pneumonie, Mangelernährung oder Dehydratation. Das Bewusstsein und Wissen darüber hat in der medizinischen Fachwelt in den letzten Jahren stark zugenommen. Einen wichtigen Beitrag zu dieser erfreulichen Entwicklung leistet Deutschlands führender Dysphagie-Experte Professor Dr. Rainer Dziewas, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation am Klinikum Osnabrück.

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MS-Zentrum des Dresdner Uniklinikums will ‚Digitalen Zwilling‘ aus Daten erschaffen

Das Multiple Sklerose Zentrum (MSZ) an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden baut seine Digital-Health-Expertise bei Therapie und Erforschung der Multiplen Sklerose (MS) mit einem ambitionierten wissenschaftlichen Projekt aus. Aufbauend auf zahlreichen, vor allem in der Diagnostik erfolgreich integrierten digitalen Instrumenten startet das ärztliche Team des MSZ jetzt damit, die Basis für einen ‚Digitalen MS-Zwilling‘ zu schaffen und so den Weg zum „MS-Management 2.0“ zu ebnen.

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Neue Datenlage: DGN analysiert Sinus-Venenthrombosen nach COVID-19-Impfung in Deutschland

Heute wurde eine in Deutschland durchgeführte Studie veröffentlicht, die das Auftreten von zerebrovaskulären Ereignissen, insbesondere Sinus- und Hirnvenenthrombosen im Gehirn, nach Impfung gegen SARS-CoV-2 beschreibt. Auffällig war, dass nicht nur jüngere Frauen ein höheres Risiko für zerebrale Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach Impfung mit dem Vakzin ChAdOx1 (AstraZeneca) hatten, sondern auch ältere Frauen. Fazit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: Das Risiko von Sinus- und Hirnvenenthrombosen ist insgesamt sehr gering, aber Personen aller Altersklassen, im Besonderen Frauen, sollten umfassend über mögliche Risiken aufgeklärt werden.

Quelle: IDW Informationsdienst Wissenschaft

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur SARS-CoV-2-Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca

Stellungnahme der DGN zum Auftreten cerebraler Sinus- und Venenthrombosen im zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung durch den Impfstoff von AstraZeneca.

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Schlaganfall-Patient kann dank neuartiger Therapie wieder räumlich sehen

Das Bild zeigt eine Fusions-Diagnostik: Die Probandin trägt eine Bagolini-Brille. Die Therapeutin hält ihr ein Prisma vor ein Auge und misst dabei ihre Fusion, das heißt, sie ermittelt, inwieweit sie in der Lage ist, die Bilder beider Augen zusammenzuführen. Foto: Oliver Dietze
Das Bild zeigt eine Fusions-Diagnostik: Die Probandin trägt eine Bagolini-Brille. Die Therapeutin hält ihr ein Prisma vor ein Auge und misst dabei ihre Fusion, das heißt, sie ermittelt, inwieweit sie in der Lage ist, die Bilder beider Augen zusammenzuführen. Foto: Universität des Saarlandes, Oliver Dietze

Sehstörungen zählen mit zu den häufigsten Folgen eines Schlaganfalls. In seltenen Fällen tritt dabei der Verlust des räumlichen Sehens ein. Die Patienten nehmen die Welt um sich herum nur noch flach wie ein Bild wahr. Sie können keine Entfernungen mehr abschätzen, etwa wenn sie nach einer Tasse greifen oder sich ihnen auf der Straße ein Auto nähert. Diese Störung haben Forscher aus Saarbrücken um Professor Georg Kerkhoff und Anna-Katharina Schaadt mit Kollegen der Charité – Universitätsmedizin Berlin bei einem Patienten genauer untersucht. Sie haben nun erstmals ein wirksames Behandlungskonzept entwickelt und nachgewiesen, welches Hirnareal für diese Sehstörung verantwortlich ist. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Neuropsychologia“ veröffentlicht.

Nach einem Schlaganfall kann es zu unterschiedlichen Formen von Sehstörungen kommen. „Diese äußern sich etwa darin, dass die Patienten auf einer Seite blind sind, sodass sie Hindernisse oder Personen auf der Seite übersehen oder Probleme beim Lesen haben“, erklärt Georg Kerkhoff, Professor für Klinische Neuropsychologie der Saar-Uni und Leiter der Neuropsychologischen Universitätsambulanz. Manchmal sind die Folgen aber weitaus gravierender: So hat das Team um Kerkhoff und Schaadt zusammen mit Forscherkollegen um Neurologie-Professor Dr. Stephan Brandt und Dr. Antje Kraft von der Charité in Berlin einen Patienten betreut, bei dem es in Folge eines Schlaganfalls zum Verlust des räumlichen Sehens gekommen war. Zwar konnte er alle Details in seiner Umgebung wahrnehmen, er war allerdings nicht mehr in der Lage, Entfernungen richtig einzuschätzen. „Für ihn war alles flach wie auf einem Gemälde“, erklärt Anna-Katharina Schaadt, Doktorandin bei Kerkhoff und Erstautorin der Studie. „Er bewegte sich daher wie in Zeitlupe und war stets unsicher, wie weit zum Beispiel eine Kaffeetasse auf dem Tisch entfernt ist oder wie schnell sich ein heranfahrendes Auto nähert.“ Wie ein Blinder habe er daher einen langen Stock genutzt, um sich in seiner Umgebung zu orientieren.

In der Neuropsychologischen Hochschulambulanz auf dem Saarbrücker Campus haben die Wissenschaftler um Kerkhoff und Schaadt zunächst die Ursache für diese Störung gesucht. „Wir haben herausgefunden, dass der Patient die Seheindrücke seiner beiden Augen nicht mehr zu einem Gesamtbild verschmelzen konnte“, sagt Schaadt. Fachleute bezeichnen diesen Prozess bei gesunden Menschen als binokulare Fusion. Sie ist wichtig für das dreidimensionale Sehen.

Nach der Diagnose haben die Psychologen im Rahmen einer Therapie über drei Wochen hinweg täglich das räumliche Sehen des Patienten geschult. Dabei kamen drei verschiedene Verfahren zum Einsatz: Mit speziellen optischen Trainingsgeräten (Prismen, Vergenztrainer und Cheiroskop) wurden dem Patienten zwei seitlich leicht versetzte Bilder präsentiert. Diese sollten mit Hilfe sogenannter konvergenter Augenbewegungen zu einem einzigen Bild zusammengesetzt werden. Bei diesem Prozess bewegen sich die Augen gegensinnig zur Nase hin, während die Bilder aber im Blickfeld bleiben. Mit der Zeit „verschmelzen“ die beiden zu einem Bild, das auch räumliche (stereoskopische) Tiefe enthält. „Für den Betroffenen war es so, als ob jemand einen Schalter umgelegt hat. Plötzlich konnte er wieder räumlich sehen, Entfernungen richtig einschätzen und Gegenstände zielsicher greifen“, schildert Schaadt die Eindrücke des Patienten, der mittlerweile wieder seinem Beruf als Jurist nachgehen kann. Auch ein Jahr später in einer Nachuntersuchung konnte der Patient weiterhin räumlich sehen, sodass er laut Kerkhoff als dauerhaft geheilt gilt.

Mit dem Verfahren könnten Therapeuten künftig auch anderen Schlaganfall-Patienten helfen, diese extreme Form der Sehstörung zu behandeln. Zudem sind die Ergebnisse für die Forschung interessant, wie Professor Brandt erläutert: „Sie zeigen, wie spezifisch unser Gehirn organisiert ist. Das geschädigte Areal im sogenannten Parietallappen V6/V6A ist auf 3D-Sehen spezialisiert. Aus Studien an Primaten ist die Hirnregion bereits bekannt. Ihre Funktion beim Menschen ist aber noch nicht hinreichend erforscht.“

Die Studie ist erschienen unter:

Schaadt, A.K., Brandt, S.A., Kraft, A., Kerkhoff, G. Holmes and Horrax
(1919) revisited: Impaired binocular fusion as a cause of “flat
vision” after right parietal brain damage – A case study.
Neuropsychologia (2015), DOI:10.1016/j.neuropsychologia.2015.01.029